Wettbewerb Neugestaltung von St. Stephan, Karlsruhe
2. Platz
Konzept der Chorraumgestaltung von St. Stephan, Karlsruhe
treffen. feiern. innehalten. - wie lässt sich die Bedeutung, die in diesen Wörtern steckt, gestalterisch umsetzten? Neben dem physikalischen Raum soll der Kirchenraum auch als Sakralraum, Vorstellungsraum, Bewußtseinsraum und Innenraum erlebt werden, wie lässt sich das vermitteln? Entlang dieser Fragestellungen gestaltete ich den Chorraum für St. Stephan.
Weitere Gestaltungsgrundlagen sind die Wahl von Naturmaterialien aus der näheren Umgebung, klare Formen, ein stilles Farbkonzept, verbunden mit einem achtsamen Umgang mit dem Vorhandenen und dessen Geschichte.
Gespeicherte Geschichte als Fundament, umgesetzt in Form eines Bodenbelages aus heimischem, rotem Sandstein, mit dem der gesamte Kirchenraum belegt werden soll, also auch die Altarinsel sowie der Chorraum.
Altar, Ambo, Tabernakel sowie Taufbecken sollen aus Mayener Basaltlava bestehen. Dieser Stein wurde bereits in prähistorischer Zeit als Getreidereibstein, später als Mühlstein benutzt. Seit fast 2000 Jahren findet er in Hoch- und Tiefbau sowie Bildhauerei und Uferschutz Verwendung. Dieses in sich ruhige und farbneutrale Gestein fügt sich mit seiner schlichten Schönheit in den Raum ein und wird mit den Relieftafeln von Emil Sutor kommunizieren. Sedilien werden aus einheimischem Eichenholz gefertigt. Als weitere Materialen werden Glas und Edelstahl Verwendung finden.
Altar und Ambo
Das geöffnete Kreuz als durchgehendes Motiv
Den Altar entwickelte ich aus einem kreisrunden Steinblock von einem Meter Höhe, 1,80 Metern Durchmesser und fast 6 Tonnen Gewicht. Die im Kirchenraum jetzt vorherrschende Kreisform zentriert sich im runden Altar. »Der Kreis vermag als unendliche Linie alles das zu symbolisieren, was ohne Ende ist. So ist er zugleich Symbol der Zeit, der Ewigkeit, der Unendlichkeit.«¹ »Letztlich umschreibt es im übertragenen Sinn das »runde Ganze«, das »Vollständige«, kann so zum Symbol des größeren Selbst, welches das Ich des Menschen umfängt, mehr noch zum Gottessymbol werden.«²
In diesen Kreis wird in Länge und Breite vertikal eine jeweils 18 cm breite Aussparung gesägt. So entstehen vier Teile; der Altar, der Kreis wird geöffnet. »Die Zahl vier ist in der christlichen Symbolik Zeichen für das Irdische im Gegensatz zum Göttlichen: vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten, vier Elemente.«³
Die Sägekanten der so entstandenen Teile ergeben eine Kreuzform. Der nun geöffnete Altar lässt Licht und Raum in das Innere eintreten. Zwischen den festen Steinfundamenten entsteht Innerer Raum. Ein freier Raum zwischen dem Spannungszentrum der Steinmassen. Ein Freiraum, der im Zeichen des Kreuzes und dem umgebenden, festen Fundament, christlich gestaltetes Leben anbietet.
»Das Kreuz symbolisiert zum einen den Opfertod Jesu Christi. Zum anderen symbolisiert es die Verbundenheit des Menschen mit der Erde und den Mitmenschen (waagerechte Achse des Kreuzes), sowie mit dem Göttlichen (senkrechte Achse des Kreuzes).«⁴ Bei diesem Altar wird das Kreuz auf den Boden gelegt, es wird vom zweidimensionalen Objekt ins dreidimensionale erweitert. Die Verbundenheit des Menschen mit der Erde und den Mitmenschen wird in alle 4 Himmelsrichtungen angezeigt, die Verbundenheit mit dem Göttlichen zeigt die senkrechte Kreuzöffnung. Diese zwei Verbindungen finden ineinander statt.
Die Kreuzstruktur greift in den Kirchenraum. Ein Kreuz also, das sich in alle Richtungen durch die gesamte Kirche erweitert.
An der Oberseite des Altars wird die Kreuzöffnung mit Glasplatten belegt. Glas als Material, das Transparenz zulässt. Die vier Steinquader werden wieder zu einer Einheit verbunden.
Die Oberfläche des Steinaltares wird fein geschliffen, die Innenflächen bleiben Sägerauh.
Die Reliquien werden sichtbar in den Boden, am Schnittpunkt der beiden Kreuzachsen, eingelassen.
Ambo
Der Ambo ist vom selben Gedanken getragen und gestaltet. Eine Steinsäule wird geöffnet zu vier Teilen und einem Kreuz. Am »Tisch des Wortes« kommt die theologische Bedeutung der Zahl 4 in den Vordergrund: »vier Paradiesflüsse (1.Mos.2, 10ff), vier Evangelisten (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes), vier große Kirchenlehrer (Augustinus, Ambrosius, Hieronymus, Gregor der Große).«⁵ Auch hier wird durch die Kreuzöffnung Entfaltungsraum angeboten
Die eigentliche Lesefläche besteht aus Glas und scheint über dem feststehenden Ambo zu schweben. Ein Edelstahlfuß in Kreuzform trägt die Glasplatte. Bei Bedarf kann der Baustein aus Glas und Edelstahl herausgehoben werden und das Lesepult auf einer mobilen Grundplatte an anderer Stelle platziert werden. So kann dem Wunsch nach einem mobilen Ambo entsprochen werden. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass bei Kirchenkonzerten das Lesepult herausgenommen werden kann und die Ambohöhe auf 110 cm reduziert wird.
Die Buchablage soll sichtbar auf dem Steinambo sein.
Als zweite Auslegefläche für das Evangelium ist eine Glasablage vorgesehen, die auf dem rechten Seitenaltar liegen soll. Wird das Buch vom Ambo mit einigen Schritten zur Ablage getragen, wird aus der Handlung ein bewußter Akt. Die dahinter befindliche Mauer bietet dem interessierten Besucher Ruhe und Schutz, ein Ort also, der einlädt, in Ruhe das Evangelium nachzulesen
Tabernakel
Der Tabernakel soll an der linken Chorraumwand, nach der Verbindungstür zur Dreifaltigkeitskapelle in der Wand platziert werden. Der Grundgedanke ist, auf lange Sicht, einen Wanddurchbruch zur Dreifaltigkeits-kapelle vorzunehmen, um beide Tabernakel zu einem großen, zweiseitig zugänglichen Tabernakel für beide Gottesdiensträume zu verbinden. In einem ersten Bauschritt soll der Tabernakel für die Stephanskirche zur Hälfte in die Wand eingelassen werden. Das Dreifaltigkeitsrelief muss dann in einem zweiten Bauschritt umplatziert werden, da sich hier der neue Tabernakelstandort befindet. Es könnte seinen neuen Platz an der gegenüberliegenden Wand finden.
Der Tabernakel selbst besteht aus 10 mm starkem, semitransparentem Verbundsicherheitsglas. Die Beschläge sind aus Edelstahl. Durch das Glas sind die Umrisse des Inhalts zu erahnen, nicht aber direkt zu erkennen. Nach der Verbindung beider Tabernakel wird dieser Effekt durch den natürlichen Lichteinfall verstärkt werden.
Der Glastabernakel wird von zwei Lisenen aus Basaltlava umrahmt. Als Abstellfläche dient eine Glasplatte, die unterhalb des Tabernakels in die Stele eingelassen ist.
Taufbrunnen
Stein des Lebens
Der Taufstein ist ein Stein des Lebens, Taufsteine sind lebendige Zeichen aus Stein und Wasser. Deshalb ist es so wichtig, das das Wasser direkt sicht- und spürbar ist und nicht abgedeckt wird. Der Taufbrunnen soll sich zentral in der Mitte des Chorraums befinden mit den Maßen 1m x 1m x 1m, ein Würfel also mit 1 m³ an Masse. Das Wasserbecken ist in den Stein eingearbeitet, es wird bis zum oberen Rand mit Wasser gefüllt. So ist auf den ersten Blick die Oberfläche nicht als Wasserspiegel zu erkennen.
Das Taufbecken als Brunnen: Einmal täglich wird über eine Zeitschaltuhr der Wasserzufluß angestellt, so wird der Stein zum Brunnen, das Wasser läuft gleichmäßig und ruhig über alle 4 Kanten gleichzeitig an den Seiten hinab und wird über eine Wasserrinne und ein Leitungssystem abgeleitet. So hält sich der Wasserverbrauch in Grenzen, gleichzeitig ist die Hygiene gewährleistet.
Am Rand des Chorraums werden Bänke für Einkehr und Ruhe/Besinnung, zum INNEHALTEN platziert. Weihwasser soll direkt, ursprünglich, aus dem Becken geschöpft werden. Ein Schöpfer hierfür soll auf einem Ständer bereitstehen. Die Osterkerze soll ebenfalls beim Taufbrunnen stehen.
Für Taufen lässt man das Becken komplett leerlaufen und füllt es mit Frischwasser auf. Die Schalter hierfür befinden sich in der Sakristei, ebenso die gesamte Technik.
Sedilien
Als Sedilien sollen schlichte Hocker dienen, die aus massivem, gekalkten Eichenholz angefertigt sind. Alle Hocker sind von der selben Form und Größe. Der Standort soll links hinter dem Altar sein.
Sonstiges
Zunächst wäre zu überlegen, ob man die halbtransparenten Glasfenster nicht durch durchsichtig Glas-scheiben ersetzen sollte. Zum Einen würde man dadurch etwas mehr an natürlichem Licht in die Kirche locken, zum Anderen hätte man dadurch eine schöne Verbindung zur Außenwelt.
Das Altarbild von Marie Ellenrieder soll in der westlichen Kreuzarmnische verbleiben, allerdings an der gegenüberliegenden Wandfläche, um ihm mehr Präsenz zu geben. Der jetzige Platz wirkt etwas unentschlossen. Die Relieftafeln von Emil Sutor sollen am jetzigen Standort verbleiben. Die Platzierung der Kreuzwegtafeln sowie der Gemälde von Candace Carter soll erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden.
Zum Inhalt der neu gestalteten Prinzipalien soll für interessierte Besucher eine Infokarte ausliegen, mit Grafiken, Fotos und den wichtigsten gedanklichen Eckpunkten. Diese soll zunächst in einer Auflage von 1000 Stück gedruckt werden.
¹ Vgl. Ingrid Riedel, Formen, 1985, S. 91
² Vgl. Ingrid Riedel, Formen, 1985, S. 93
³ Vgl. www.derkleinegarten.de
⁴ Vgl. www.derkleinegarten.de
⁵ Vgl. www.derkleinegarten.de